Wie kann die Menschheit Kulturen der Nachhaltigkeit gestalten?
Kulturdynamik für Nachhaltigkeit
Yoshihisa Kashima:
“Die Menschheit steht im 21. Jahrhundert vor zwei Herausforderungen. Einerseits müssen wir uns an die Veränderungen der natürlichen Umwelt durch die globale Erwärmung anpassen. Extreme Wetterereignisse (z. B. supertropische Wirbelstürme, extreme Hitze) und Naturkatastrophen (z. B. Überschwemmungen, Buschbrände) werden häufiger auftreten und das Funktionieren der Gesellschaft bis weit in die Zukunft hinein stören. Auf der anderen Seite steht die Herausforderung, Wohlstand für alle zu gewährleisten. Trotz zunehmenden globalen Wohlstands gibt es immer noch weit verbreitete wirtschaftliche Entbehrungen – zwei Drittel der Weltbevölkerung leben von einem Einkommen von weniger als 10 US-Dollar pro Tag, und 11 % sind unterernährt. Vor dem Hintergrund der wachsenden menschlichen Bevölkerung (10,9 Milliarden bis 2100) ist ein umfassendes Wirtschaftswachstum erforderlich, um Armut und Hunger zu beseitigen. Doch menschliche Wirtschaftsaktivitäten, die von fossilen Brennstoffen angetrieben werden, sind der Haupttreiber von Treibhausgasemissionen und Klimawandel. Wie kann also die Nachhaltigkeit der Menschheit gesichert werden? – Ich glaube, dass es Hoffnung gibt, wenn die Menschheit eine Kultur der Nachhaltigkeit schaffen kann, d. h. eine Kultur, die Ideen und Praktiken hervorhebt und belohnt, die dazu beitragen, unsere Umweltauswirkungen zu reduzieren und gleichzeitig das globale menschliche Wohlbefinden zu erhalten.”
How Can Humanity Craft Cultures of Sustainability?
Yoshihisa Kashima – (Melbourne School of Psychological Sciences, The University of Melbourne)
in: Current Directions in Psychological Science 2020, Vol. 29(6) – Seiten 538-544
Sein Fazit:
Der einzelne Bürger kann sich an der globalen kulturellen Dynamik für Nachhaltigkeit beteiligen. Hier sind einige Vorschläge für jeden von uns.
- Erstens: Denken Sie über sich selbst in Bezug auf die Natur nach und wie Ihre Handlungen die Natur beeinflussen, sich mit ihr verbinden und mit ihr interagieren.
- Zweitens: Denken Sie über Ihre Beziehung zur vom Menschen geschaffenen Umwelt nach und darüber, wie Sie mit ihren Produkten interagieren, wobei Sie deren Rekonfigurierung in der Kreislaufwirtschaft im Auge behalten sollten.
- Drittens: Diskutieren Sie Ihre Gedanken über die Beziehungen zwischen Mensch und Natur und zwischen Mensch und Artefakten in Ihren Gesprächen mit Menschen, die Sie kennen, und beteiligen Sie sich an Gesprächen über Umweltnormen, um sich gegenseitig an die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit in Ihren lokalen sozialen Netzwerken zu erinnern.
- Viertens: Denken und reden Sie über Ihre utopische Vision für die Zukunft, aber stellen Sie sicher, dass Sie danach handeln, indem Sie sich an Bürgeraktivitäten und gesellschaftlichen Prozessen beteiligen. Obwohl der Einfluss eines Einzelnen winzig ist, gibt es die Stärke der Masse. Die Teilnahme an kulturellen Dynamiken mag in der Vergangenheit einigen wenigen vorbehalten gewesen sein, aber das Web 2.0 hat die Hürde für jeden, der über ein Mobiltelefon und einen Internetzugang verfügt, erheblich gesenkt, sich auf seine Weise zu beteiligen.
Es ist eine monumentale Aufgabe, das komplexe Mensch-Klima-System zu managen und dabei innerhalb der Planetengrenzen zu bleiben und das Wohlergehen der gesamten Menschheit zu gewährleisten. Erinnern wir uns an den überfüllten öffentlichen Raum der internationalen Klimaverhandlungen (z. B. die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen), die nationale Klimapolitik und die ökonomischen Analysen der Kosten und Nutzen von Klimaschutz und Klimaanpassung, ganz zu schweigen von den persönlichen Wünschen der Menschen nach bezahlbaren und komfortablen Lebensbedingungen in ihrem privaten Umfeld. Um nachhaltige menschliche Nischen zu schaffen, müssen wir eine angemessene, vom Menschen geschaffene Umwelt aufbauen. Die gestaltete Umwelt kann so gestaltet werden, dass die Mensch-Natur-Verbindung im Vordergrund steht. Multidisziplinäre Ansätze sind offensichtlich notwendig, um koordinierte institutionelle Antworten zu gestalten. Psychologie Forscher müssen sich mit Experten aus den Bereichen der Rechtswissenschaft, Ökonomie, Politikwissenschaft, Soziologie, Anthropologie und internationalen Beziehungen beraten, um nur einige zu nennen.
Was solche Nischenkonstruktionen allerdings möglich macht, ist eine Kultur der Nachhaltigkeit. Erforderliche kulturelle Veränderungen können durch ein dynamisches Wechselspiel zwischen institutionellen Prozessen auf der Makroebene und individuellen Aktivitäten auf der Mikroebene entstehen. Das gesellschaftliche Engagement der Bürger prägt die Regierungspolitik, insbesondere in repräsentativen Demokratien, aber auch in autokratischen politischen Regimen. Die Akzeptanz von institutionellen Maßnahmen seitens der Bürger bestimmt wiederum deren Effektivität – ohne die Unterstützung der Bevölkerung werden selbst gut konzipierte öffentliche Maßnahmen scheitern. Die Bereitschaft der Bürger für eine nachhaltige Zukunft wird koordiniertere und effektivere institutionelle Antworten fördern und ermöglichen. Die aktive Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit von heute kann eine dynamische Norm erzeugen – eine antizipierte, sich verändernde Norm von morgen, die das Verhalten über die heutige Norm hinaus beeinflusst. Schließlich sind es die Gedanken, Gefühle und Handlungen der Bürger – ihre Beteiligung an der kulturellen Dynamik -, die die Kulturen der Zukunft prägen werden. Ob die Menschheit Kulturen der Nachhaltigkeit schaffen kann, hängt unter anderem von ihr selbst ab.
Vertiefende Literatur:
- Clayton, S. (2012). (See References). A recent review of envi-ronmental identity.
- Fernando, J. W., O’Brien, L. V., Judge, M., & Kashima, Y. (2019). More than idyll speculation: Utopian thinking for planetary health. Challenges, 10(1), Article 16. doi:10.3390/challe10010016. An article on utopianism and sustainability.
- Judge, M., Fernando, J. W., Paladino, A., & Kashima, Y. (2020). (See References). An article on human-artifact relations.
- Laland, K. N., Odling-Smee, J. F., & Feldman, M. W. (2000). (See References). An article on niche constructionism.
- Raworth, K. (2017). Doughnut economics. London, England: Penguin. An article on the circular econom