„Turn of the Tide – Gezeitenwechsel“
Mit dieser Einführung in die Philosophie Mario Bunges (meines Wissens nicht nur die erste deutschsprachige Werkeinführung, sondern auch international das erste Buch, das einen Überblick über Bunges wissenschaftlichen Realismus bietet) habe ich mir viel vorgenommen:
Auch in philosophisch-akademischem Denken unerfahrene Leser sollen anhand des von mir skizzierten Modells hinter dieser realistischen Philosophie ein leicht handbares Filterwerkzeug in die Hand bekommen – eine Art intellektuelle „Firewall“ zum Schutz vor der allgemein verbreiteten „geistiger Umweltverschmutzung“.
Wofür das benötigt wird? Nun – laufend werden wir mit Statements von Intellektuellen, Politikern, angeblichen Fachleuten usw. konfrontiert, die uns durch auflagenstarke Medien als maßgebliche Meinungsführer und Experten präsentiert werden, die vermeintlich zu definieren in der Lage sind, wie die Welt und die darin ablaufenden aktuellen Geschehnisse korrekt moralisch, politisch, ökonomisch und wissenschaftlich zu beurteilen sind. Vieles von dem dabei öffentlich in die Diskussion Versetzte erweist sich spätestens nach Fortgang der Dinge – wie es der amerikanische Philosophie-Professor Harry Frankfurt so rustikal ausdrückt – als „Bullshit“ – als realitätsferner, unbegründbarer Nonsense ohne Wahrheitswert.
Genau in diesem Sinn kann das Konzept hinter Mario Bunges Philosophie als Mittel der intellektuellen Selbstverteidigung gegen Angriffe auf Vernunft und Moral genutzt werden – als Instrument, schneller wertvolle und sinnvolle Gedanken von mitunter gefährlichem Unsinn zu trennen.
Wie Bunges Philosophie auf diese Weise angewandt wird, ist zentrales Thema von „Turn of the Tide“. Den zukünftigen Gezeitenwechsel-Lesern möchte ich die Spannung nicht nehmen und auch nicht weiter ins Detail gehen. Doch für die Unschlüssigen, die noch nicht wissen, ob sie das Taschenbuch tatsächlich kaufen sollen, möchte ich ein paar motivierende Hintergründe über Mario Bunge und sein Werk verraten:
Markstein der Weltphilosophie
Mario Bunge ist wichtiger Vertreter des zeitgenössischen philosophischen Realismus. Der 1919 in Buenos Aires geborene Philosoph geht von der grundlegenden Erkennbarkeit der Welt aus. Er führt die Tradition der französischen Aufklärung fort: Objektivität und das Vertrauen in die Vernunft als menschliche Erkenntnisgrundlage verteidigt er gegen Pseudowissenschaften ebenso wie gegen relativistische postmoderne philosophische Strömungen.
Aus Bunges Sicht ist eine Philosophie wertvoll, „wenn sie uns hilft, zu lernen, zu handeln, unser wertvolles kulturelles Erbe zu erhalten, und wenn sie uns anleitet, unser Zusammenleben mit unseren Mitmenschen zu fördern“. Auf der Basis dieser Definition hat sich Bunge immer wieder kritisch in gesellschaftliche Debatten eingemischt – beispielsweise in die Diskussion des menschenverursachten Klimawandels und der Risiken neoliberaler Wirtschaftskonzepte.
Im Feld der Wissenschaftstheorie genießt er heute die Rolle eines wichtigen Vordenkers – so schrieb der deutsche Wissenschaftsphilosoph Bernulf Kanitscheider: „Wenigen außerordentlichen Persönlichkeiten ist es vergönnt, die intellektuelle Geographie einer wissenschaftlichen Epoche entscheidend mitzugestalten. Mario Augusto Bunge gehört zu dem kleinen Kreis bedeutender Wissenschaftsphilosophen, deren Werke bereits jetzt zu Marksteinen in der geistigen Landschaft der Weltphilosophie geworden sind.“*
In Lateinamerika wird Bunge heute als wichtiges Vorbild gesehen, weil er eine internationale Anerkennung erreichte, wie kein anderer südamerikanischer Philosoph vor ihm. Sein Werk wird als Beweis dafür betrachtet, dass auch Denker, die in einem Subkontinent arbeiten und schwierigsten Bedingungen ausgesetzt sind, aufsteigen können, um federführend an der internationalen Fachdiskussion auf höchstem Niveau teilzunehmen.
Stimmen zum Buch:
Professor Mario Bunge, McGill University, schreibt in seiner im Mai 2016 in englischer Sprache beim Springer Verlag erschienen Autobiographie „Between Two Worlds: Memoirs of a Philosopher Scientist“ auf Seite 349:
„Heinz Droste, another German social scientist, has written extensively on public relations, and has become interested in my philosophy to the point of writing a semi-popular book on it (Droste 20 15), which I find both clear and faithful.“
Professor Dr. Georg F. Simet – Professor für Wissenschaftstheorie und -propädeutik sowie internationaler Hochschulconsultant – seit dem Jahr 2002 tätig als Gutachter für die Europäische Kommission – schreibt in seiner Rezension:
„Es handelt sich um eine sehr gelungene Darstellung des Gesamtwerks Bunges in seinen diversen Ausprägungen. Der Titel des Buchs nimmt Bezug auf Bunges realistische Position in der Quantenphysik (im Buch ab S. 66): Bunge lehnt die Kopenhagener Deutung, wonach das Ergebnis quantenmechanischer Messungen von der Messung und dem Messenden abhängen (sollen), vehement ab. Stattdessen behauptet Bunge, in den Worten Drostes, „dass uns eine subjekt-unabhängige objektive Realität umgibt.“ (S. 71) Diese realistische Position entfaltet Bunge in einem eigenen System, dessen einzelne Teile Droste im Hauptteil seiner Einführung knapp, aber umfassend und auch in ihren Verzweigungen präzise beschreibt. Einiges Manko: Leider ist der abschließende Teil (3), in dem Bunges realistischer Standpunkt (auf 11 Seiten) mit anti-realistischen Ansichten konfrontiert wird, recht knapp ausgefallen. Doch alles in allem: Eine hervorragende Einführung in Bunges System, die allen, die sich mit diesem Philosophen beschäftigen (wollen), sehr zu empfehlen ist.“
Im Newsletter der Giodano-Bruno-Stiftung vom 15.02.2016:
„Mario Bunge zählt zu den namhaftesten und meist zitierten naturalistischen Philosophen weltweit, im deutschen Sprachraum ist er außerhalb von Fachkreisen jedoch weitgehend unbekannt. Heinz W. Drostes im Alibri Verlag erschienene brillante Einführung in Bunges Werk wird daran hoffentlich etwas ändern. Verdient hätten es Bunges wegweisende Arbeiten zum philosophischen Realismus allemal. Klarer, exakter, umfassender hat wohl niemand in den letzten Jahrzehnten das aufklärerische Denken gegen Pseudowissenschaft und postmodernen Relativismus verteidigt. Ein wichtiges, längst überfälliges Buch zu einem der großen Vordenker unserer Zeit.“
Informationen zum Buch:
Heinz W. Droste
Turn of the Tide – Gezeitenwechsel
Einführung in Mario Bunges exakte Philosophie
196 Seiten, kartoniert, Euro 14.-
ISBN 978-3-86569-189-7
Das Buch kann auf der Verlagsseite bestellt werden. Hier stehen das Inhaltsverzeichnis, die Einleitung sowie ein Probekapitel zum kostenlosen zur Verfügung.
* Bernulf Kanitscheider, Geleitwort für: Mario Bunge, Das Leib-Seele-Problem. Ein psychobiologischer Versuch, Tübingen 1984, S. VIII.