Konzeptions-Werkzeug: Wie kann Kommunikation von A bis Z gestaltet werden?
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Kommunikations–Prozesse können „modelliert“ werden.
Kurz, kommunizierende Individuen
stehen sowohl in horizontalen als
auch in vertikalen Beziehungen zu
anderen Personen und Teilsystemen.
(1)
Paul Watzlawick,
Janet H. Beavin,
Don D. Jackson
Die Analyse von Kommunikation
In empirischen Wissenschaften ist es üblich mit systemischen Konzepten – beispielsweise mit kybernetischen Modellen zu arbeiten.
Auch in der Praxis bietet sich systemisches Vorgehen an: Der Nutzen des System-Modells und der darauf aufbauenden Begrifflichkeit liegt in der gezielten Anregung unserer kreativen Vorstellungskraft.
Das Modell »beflügelt« auf der einen Seite die Fantasie der Analytikerin, trägt aber auf der anderen der Hypothesengeleitetheit unseres Erkenntnisprozesses Rechnung. Der intellektuelle Horizont der Analytiker wird in bisher vernachlässigte Richtungen erweitert, die Vielschichtigkeit des Untersuchungsgegenstands wird sichtbar.
Beispielsweise kann ein Unternehmen ebenso als kommunizierendes kybernetisches System betrachtet werden, wie seine Abteilungen – Verkaufsabteilung, Einkauf, Buchführung usw. – als interagierende Subsysteme interpretierbar sind, die zur Erhaltung des Gesamtsystems notwendige Funktionen erfüllen.
Unternehmen sind Systeme.
Das Aufrechterhalten der Kommunikation mit seinem engeren und weiteren gesellschaftlichen Umfeld ist eine überlebensnotwendige Leistung eines Unternehmens–Systems. In größeren Organisationen lassen sich ausdifferenzierte Subsysteme identifizieren, welche speziell mit dieser Aufgabe betraut sind und sich bemühen, Kommunikationsmittel gezielt zum Vorteil des Gesamtsystems einzusetzen. Sie treten beispielsweise als Kommunikations–, Marketing–Abteilungen oder Pressestellen auf.
Die Tätigkeit dieser Interaktions–Subsysteme geht weit darüber hinaus, Informationen an externe Interessenten weiterzuleiten. Sie haben unter anderem die Funktion, durch gezielte Kommunikation mit der Öffentlichkeit dasjenige Maß an Zustimmung für die Ziele des Gesamtsystems zu erreichen, das dieses für Verwirklichung ihrer Gesamtziele dringend benötigt.
Beispiel: Presseberichterstattung über ein Unternehmen – etwa über seine attraktiven Freizeitmöglichkeiten für Betriebsangehörige, über sportliche Erfolge seiner Werksmannschaften – erleichtert die Suche nach dringend gesuchten neuen Mitarbeitern. Auf diese Weise ermöglicht Kommunikation dem System, die Leistungen anderer Systeme für die Erhaltung des eigenen Gleichgewichts und der Erreichung der eigenen Ziele zu importieren – Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt in das betreffende Unternehmen zu lenken.
Kommunikations-Probleme = System-Probleme
Kommunikations–Defizite von Organisationen lassen sich mittels des kybernetischen Modells als Systemprobleme beschreiben:
Probleme der Beschaffung von Kommunikations–Ressourcen hat offenbar ein System, für dessen Ziele zu wenig Akzeptanz in der Öffentlichkeit erarbeitet wurde. Ihm können sich Hindernisse beim Versuch in den Weg stellen, Daten über seine Umwelt zu erlangen, die dieses System – ein Unternehmen oder eine Institution – dringend benötigt. So kann die Weigerung, persönliche Informationen und Haushalts–Daten weiterzugeben, Organisations–Abläufe ernsthaft stören. – Zur Planung der Energieversorgung von morgen brauchen Planer heute Informationen über die gegenwärtige Energienutzung, über Haushaltsgrößen und Bevölkerungsstruktur.
Systeme sind durch Kommunikations–Probleme, durch die Einschränkung ihrer Interaktions–Funktionen – in diesem Beispiel durch die Behinderung ihrer Informationsaufnahme – ernsthaft in ihrer Zielerreichung gestört.
Weiterer Aspekt: Veränderte Kommunikationsprozesse können die Existenz eines Systems unmittelbar gefährden, falls damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen nicht rechtzeitig und intensiv entgegengewirkt wird.
Beispiel: Ein Industrieunternehmen wird durch gewandelte Wertvorstellungen und Meinungsströmungen in seiner Umwelt gezwungen, Produktionsprozesse zu verändern und seine Organisationsstruktur entsprechend umzubauen. Durch die gewandelte kommunikative Umfeldbedingung drohen diesem Unternehmens–System kontinuierliche Probleme:
Es hat seine Produktpolitik von nun an laufend mit Vertretern der Öffentlichkeit zu diskutieren. Auf lange Sicht ist die Stabilität seiner Position in Gesellschaft und Wirtschaft gefährdet, gelingt die Neuausrichtung der Unternehmens– Politik und der Unternehmens–Kommunikation an die öffentlich durchgesetzten Wertvorstellungen nicht überzeugend.
Auf der anderen Seite kann zu hastiges Anpassen an die kommunikativen Umweltbedingungen zu Organisations–internen Konflikten und Widersprüchen führen, welche die Identität des Unternehmens–Systems kontinuierlich destabilisieren.
Das Vierfunktionenschema
Das Denken in Systemproblemen hilft uns, Kommunikationsprozesse besser zu verstehen und zu benennen.
Wir suchen hier nach wesentlich mehr; wir benötigen ein differenziertes Arbeitsinstrument zur systematischen Nutzung der Einsicht in Systemprobleme und der damit zusammenhängenden, »reparaturbedürftigen« Kommunikations–Abläufe.
Werkzeug zur Problem-Analyse
An diesem Punkt kommt das so genannte Vierfunktionenschema ins Spiel, das der Soziologe Talcott Parsons zusammen mit dem Sozialpsychologen Robert F. Bales im berühmten »Department of Social Relations« der Harvard University entwickelte.(2)
Vier Funktionen aus Harvard
Basis dieses analytischen Modells ist zum einen Parsons› kybernetisches Gesellschafts–Modell und zum anderen der Datenbestand, den Bales bei der langjährigen wissenschaftlichen Auswertung von Gruppen–Experimenten im »Labor für Sozialbeziehungen« in Harvard gesammelt hatte.
Bales› Analysen des Problemlösungsverhaltens von Gruppen hatte gezeigt, dass sich die Bewältigung von Aufgaben in einem intensiven und häufig turbulenten Kommunikationsprozess vollzieht, den Talcott Parsons anhand kybernetischer Begriffe in charakteristische Aspekte zerlegte und systematisierte.
Um dem Ziel, der Lösung eines Problems, näher zu kommen, muss sich die Gruppe demnach vier entscheidenden Erfordernissen stellen:(3)
- Sie hat sich an die Umweltbedingungen anzupassen und aus ihr Mittel zur Zielerreichung zu entnehmen (Adaption).
- Sie hat kollektiv verbindliche Entscheidungen etwa über die Richtung der Problemlösung zu fällen, kollektiv verbindliche Ziele zu definieren und zu verwirklichen (Zielerreichung).
- Sie hat alle System– Elemente zusammenzuknüpfen und in einer Einheit zusammenzuhalten (Integration) und
- die wesentlichen Strukturmerkmale des Gruppensystems aufrechtzuerhalten (Strukturerhaltung).
Wir schauen uns nun die wesentlichen Eigenschaften dieses AGIL–Problem– Entschlüsselungs–Schemas genauer an:
Anpassung (Adaption)
Anpassung (engl.: adaption) wird im Parsons/Bales–Analyse–Schema mit dem Buchstaben »A« gekennzeichnet. Die Erfüllung der Anpassungs–Funktion erfordert definitionsgemäß die Bildung der Ressourcen und Mittel, die als Basis der Realisierung der Systemziele benötigt werden: Systeme haben sich an die Umgebungsbedingungen anzupassen und aus ihr Mittel zur Zielerreichung zu entnehmen.
Die Erfüllung der dem System damit gestellten Aufgabe erfordert eine konsequente Leistungsorientierung. Unabhängig von zugeschriebenen Eigenschaften wie Standes–, Rassen–, Kasten– oder etwa Geschlechtszugehörigkeit, die keine Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit von Individuen ermöglichen, beurteilt das System die Objekte seines Handelns beispielsweise aufgrund von Kosten–Nutzen–Erwägungen. Das System sucht nach den für seine Zwecke günstigsten und erfolgversprechendsten Mitteln.
Leistungsorientierung
Ein Arbeitgeber der in diesem Sinne Fachkompetenz nutzen möchte, die auf dem Arbeitsmarkt angeboten wird, orientiert sich an Bewerber–Merkmalen wie Ausbildung, Arbeitsleistung, Gehaltsniveau usw., weniger an Geschlecht, Aussehen, Kleidungsstil usw.
Auf den Bereich der Kommunikation einer Organisation bezogen bedeutet Adaption, dass im Rahmen der Kommunikation vor allem solche Informationen verfolgt werden, die schnell und mit wenig Aufwand bezogen werden können. Komplexe und diskussionsbedürftige Theorien, Gutachten, Prognosen, Ratschläge usw. werden systematisch gemieden.
Zielerreichung und Zielselektion (Goal–Attainment and Goal–Selection)
Zielerreichung und Zielselektion (engl.: goal–attainment and goal–selection) sind im Parsons/Bales–Analyse–Schema als Systemproblem mit dem Buchstaben »G« gekennzeichnet.
Die Erfüllung der Zielerreichungs–Funktion erfordert die Fähigkeit des Systems, in bestimmten Entscheidungssituationen eine Hierarchisierung der Einzelziele vorzunehmen. Die vollständige Erfüllung der damit definierten Aufgabe des Systems erfordert eine spezifische Zielorientierung.
Zielorientierung
Die Zielerreichungs–Funktion hebt sich von den Erfordernissen der Adaptions–Funktion dadurch ab, dass sie die langfristige Planung der Zielverfolgung des Gesamtsystems vorprogrammiert. Für die Erfüllung von Systembedürfnissen werden über einen großen Zeitraum hinweg aktuelle Kurzfrist–Bedürfnisse zurückgedrängt. Das System opfert den Wunsch nach schnellem Konsum – etwa der Leistungen anderer Systeme – den Erfordernissen der langfristigen Erfüllung übergeordneter Systemzwecke.
Im Bereich der Kommunikation einer Organisation wird dies dadurch umgesetzt, dass der Krafteinsatz – zum Beispiel der Einsatz von Kommunikations– Maßnahmen – einer strengen strategischen Planung unterworfen wird. Statt wechselnden Trends und Interessen nachzulaufen, bleibt das langfristig angelegte Kommunikations–Konzept im Fokus.
Integration (Integration)
Integration (engl.: integration) wird im Parsons/Bales–Analyse–Schema mit dem Buchstaben »I« gekennzeichnet. Sie erfordert die Bindung der Teile, Elemente, Aspekte und Subsysteme eines Systems. Die volle Erfüllung der damit definierten Aufgabe setzt emotionale »Nähe« der beteiligten Handelnden, eine affektive Verbundenheit der Akteure voraus. Die Bedürfnisse der Individuen einer Gruppe sind deshalb miteinander zu harmonisieren und zu einer Einheit zu verknüpfen.
Emotionale Verbundenheit
Affektivität sozialer Orientierung beruht auf den positiven und negativen Gefühlen, die Angehörige einer Gruppe füreinander hegen. Hohe affektive Verbundenheit, d.h. ein hoher Grad an Solidarität ist erforderlich, um eine Gruppe und die darin ablaufenden Interaktionen trotz des Vorhandenseins starker trennender interner Kräfte und trotz sich tief greifend wandelnder Umfeldfaktoren mit spaltenden Wirkungen als integriertes Handlungssystem aufrecht zu erhalten.
Es ist eine harmonische Kommunikationsgemeinschaft aufzubauen, um angesichts aufeinander prallender Interessen und Meinungsströmungen langfristig Konsens– und Kompromissfähigkeit in einem Gemeinschaftssystem sicherzustellen.
6. Strukturerhaltung (Latent Pattern Maintenance)
Strukturerhaltung (engl.: latent pattern maintenance) wird im Parsons/Bales– Analyse–Schema mit dem Buchstaben »L« gekennzeichnet. Die damit definierte Aufgabe des Systems besteht in der Bewahrung der System–Grundstruktur sowie der Bewahrung der elementaren Standards und Werte eines Systems.
Elementare Standards und Werte
Die bestmögliche Erfüllung dieser Aufgabe stützt sich auf Diskussions–Prozesse, die angesichts wandelnder Situationen und Problemfälle Anwendbarkeit und größtmögliche ordnende Wirkung von Basis–Regeln und verbindlichen Wert–Standards gewährleisten.
Die Entwicklung allgemeiner Gestaltungsrichtlinien für das Erscheinungsbild eines Unternehmens oder eines Zusammenschlusses von Unternehmen kann beispielsweise ein erster Schritt auf dem Weg zu einer stabilen einheitlichen Unternehmens–Struktur sein.
Stabile Kommunikations–Beziehungen erfordern die Durchsetzung von allgemeinen Regeln der Kommunikation. Das sind im Einzelnen die verbindlichen Bestimmungen zu den Auskunftspflichten von Organisationen, zu den Informationsrechten und dem Recht der Individuen auf eigenständige Meinungsbildung.
Kommunikation mit Hilfe des AGIL–Schemas modellieren
Wir machen uns zügig mit der Operationsweise unseres neuen AGIL–Entschlüsselungs–Schemas vertraut. – Dazu stellen wir uns beispielhaft eine größere organisatorische Einheit – eine Kommune, eine Wirtschaftsregion oder eine Gesellschaft vor.
Abb. 9: Das Basis–Kommunikations–Modell:
Damit sich hier ein stabiles Kommunikationssystem ausprägen kann, sind gemäß des gerade kennen gelernten Funktionsrasters vier ausschlaggebende Felder abzudecken (siehe Abb. 9) – benötigt wird:(4)
- ein für die Tendenzen und Strömungen der umgebenden Systeme offener Meinungsmarkt (A), der dem Informations– und Informierungsbedürfnis der Interaktionspartner zur Verfügung steht,
- die Fähigkeit, einen langfristigen und strategischen Einsatz (G) von Kommunikations–Medien zur Erreichung eines möglichst klar umrissenen Kommunikationsziels zu organisieren,
- die Bildung einer stabilen Solidargemeinschaft (I) von Interaktionspartnern, die den Gedankenaustausch miteinander aufrechterhalten wollen, unabhängig davon, welche kontroversen Meinungen einzelne Beteiligte vertreten mögen,
- die Durchsetzung eines allgemein akzeptierten Bestands von Regeln der Kommunikation (L), welche die Interaktionsprozesse in den verschiedensten Situationen steuern und ordnen können.
Diese »kognitiven Landkarte« nutzen PR–Beraterinnen, um bei Übernahme neuer PR–Aufgaben die Organisation ihres Auftraggebers und die hier ablaufenden Kommunikationsprozesse genau unter die Lupe zu nehmen:
Kognitive Landkarte
- I – Kommunikations–Gemeinschaft – Sie schauen sich an, inwieweit die an Diskussionsprozessen beteiligten Mitarbeiter ein integriertes, harmonisches Ganzes bilden. Sie klären, ob es einen durchgängigen Konsens gibt, der auch im Fall gegenläufiger Interessen und kontinuierlicher Interaktionsprozesse wirkungsvoll ist.
- G – Kommunikations–Medien – Sie schauen sich an, ob sich in ausreichender Weise Kommunikations–Kanäle und –Plattformen entwickelt haben, auf denen sich die Mehrheit der Organisations–Mitglieder austauschen kann. Sie beurteilen, ob die hier bewirkte Meinungsbildung im Sinne der Erreichung der Ziele der Organisation verläuft.
- A– Meinungsmarkt – Sie beurteilen, ob die Informations– und Informierungsbedürfnisse der Organisationsmitglieder ausreichend befriedigt werden, ob ein funktionierender Anschluss an relevante Meinungsmärkte existiert. Sie schauen sich im Einzelnen an, ob die verbreiteten Informationen überwiegend für die Erreichung der Ziele der Organisation relevant sind und ob die hierzu wesentlichen Informationen in ausreichender Menge von der Außenwelt in das System–Innere und hier an die richtigen Personen gelenkt werden.
Orientierungs-Instrument und Ideengenerator
Indem PR–Beraterinnen diese Analysen ausführen und sich intensiv mit den wesentlichen Details der konkreten Kommunikations–Vorgänge beschäftigen, wirkt das AGIL–Schema als pragmatisches Orientierungsinstrument und Ideengenerator. Es bringt Beraterinnen Lösungen für folgende Herausforderungen:
- Kommunikations–Probleme zu definieren
- Meinungs–Trends zu antizipieren
- Kommunikations–Mechanismen und daran anknüpfend einsetzbare
Kommunikations–Maßnahmen zu identifizieren - die adäquate Umsetzung der ermittelten Maßnahmen zu planen
Denn es unterstützt PR–Beraterinnen im Einzelnen durch
- die detaillierte und vieldimensionale Analyse von Kommunikationsbeziehungen und Netzwerken
- die Analyse und Darstellung komplexer Kommunikationsprozesse
- die Mobilisierung von Fachwissen und Untersuchungsergebnissen aus den Bereichen Soziologie, Sozialpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Ökonomie
- die Herausarbeitung von Spannungen und Änderungstendenzen in der internen Kommunikation
- die Antizipation der Wirkungen von Kommunikations–Maßnahmen
- den Entwurf vieldimensionaler Lösungsansätze
- die Integration komplexer Kommunikations–Instrumente zu einer geschlossenen Lösung
- die kontinuierliche Prüfung der Maßnahmen–Erfolge durch ein Monitoring des betreffenden Kommunikations–Systems
Das Modell der Unternehmens–Kommunikation
Gehen wir noch einen Schritt weiter bei der Nutzung des AGIL–Schemas – modellieren wir weitere Kommunikations–Abläufe:
Wir haben uns mithilfe des Basismodells angesehen, wie die Kommunikation innerhalb einer Organisation grundlegend abläuft.
Wir schauen uns dabei die Aufgabenfelder an, die eine Organisation abzudecken hat, wenn es darum geht, erfolgreich spezifische Kommunikations–Leistungen zu erbringen.
Die für die Steuerung von Kommunikationsprozessen und die Durchführung von Kommunikations–Maßnahmen verantwortlichen Abteilungen und Teilsysteme haben ein Grundpaket an Funktionen abzudecken, um operationsfähig zu werden, welches wir wiederum auf der Basis des AGIL–Schemas modellieren.
Abb. 10: Modell der Unternehmens–Kommunikation:
A– Markt–Kommunikation
- die Kommunikation des Unternehmens mit dem Markt
- Ziel: Mobilisierung von Marktressourcen
G – Kunden–Kommunikation
- kontinuierliche Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden
- Ziel: Geschäftsabschluss
I – Mitarbeiter–Kommunikation
- Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitern
- Ziel: Leistungserbringung
L – Allgemeine Unternehmens–Kommunikation
- Kommunikation zwischen Unternehmen und der Öffentlichkeit und ihren Vertretern
- Ziel: Akzeptanz
In jedem individuellen Anwendungs–Fall dieses Kommunikations–Modells zeigen sich konkrete Herausforderungen bei der Erfüllung der damit verbundenen Funktionen:
- Markt–Kommunikation:
In einem Branchen–Umfeld, in dem Arbeitskräfte rar sind, sind die Gestalter der Markt–Kommunikation vor allem auf den Informationsaustausch rund um den Arbeitsmarkt konzentriert. In einer Dienstleistungsbranche, in der ständig technische Neuerungen umzusetzen sind, ist die Markt–Kommunikation stark auf Berichterstattung zu technologischen Entwicklungen und auf Wissenschaftsmeldungen konzentriert. - Kunden–Kommunikation:
In einer Dienstleistungsbranche übernimmt beinahe jeder Mitarbeiter eines Unternehmens Kontakt zu Kunden und ist deshalb in Kunden–Kommunikations–Routinen eingebunden. In Industrie–Unternehmen, die Investitionsgüter herstellen, sind Außenkontakte im Großen und Ganzen Personen vorbehalten, die hochspezialisierte Ausbildungen absolviert haben, um sich mit Kunden–Ansprechpartnern auf hohem fachlichen Niveau austauschen zu können. - Mitarbeiter–Kommunikation:
In kleinen Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft spricht tendenziell jeder mit jedem – Mitarbeiter mit Kollegen, den Auszubildenden und mit dem Firmeninhaber. In Großunternehmen gibt es gewählte Mitarbeiter–Vertreter, die speziell weitergebildet werden, um quer über vielschichtige Hierarchien hinweg zu kommunizieren. - Allgemeine Unternehmens–Kommunikation:
Unternehmen mit einem niedrigen Risikopotential ihrer Produktion, wie etwa ein Modeunternehmen, haben im Rahmen ihrer allgemeinen Unternehmens–Kommunikation wesentlich andere Akzeptanzfragen zu klären, als ein Industrieunternehmen, das mit großen Umweltrisiken »hantiert«. Beim ersten Unternehmen, geht es beispielsweise um die Akzeptanz von Vertriebsformen im Einzelhandel oder neue Modetrends. Beim Zweiten kann es darum gehen, Anwohner über die Gefahren eines neuen Produktionsbetriebes auf dem Werksgelände zu informieren, der mit gesundheitsgefährdenden Stoffen arbeitet.
Mit der Herausarbeitung dieser vier Aspekte der Kommunikation ist die Kommunikations–Analyse eines individuellen Unternehmens längst nicht abgeschlossen.
Koordination der Gesamt-Kommunikation
Denn die PR–Beraterin benötigt tiefgehende Informationen zur Arbeit der Kommunikations–Verantwortlichen und deren Abteilungen. Sie schaut sich deshalb an, ob die verschiedenen heterogenen Kommunikations–Anforderungen konfliktfrei erfüllt werden, ob es möglicherweise Reibungen und Spannungen zwischen den Kommunikationsfeldern gibt.
Sie untersucht im Detail, ob sich die Verantwortlichen bei der Durchführung von Kommunikations–Maßnahmen ausreichend austauschen, gegenseitigen Austausch pflegen oder stattdessen isoliert voneinander vorgehen, schlechtestenfalls gegeneinander arbeiten.
Ihr Analyse–Ergebnis hält die PR–Beraterin in einem Modell fest, das die typischen parallelen Kommunikations–Felder darstellt (siehe Abb. 11):
- Markt–Kommunikation – Werbung
- Kunden–Kommunikation – Verkaufsförderung
- Mitarbeiter–Kommunikation – Internal Relations
- Allgemeine Unternehmens–Kommunikation – Public Relations
Sie untersucht, ob es Leistungs–Schwerpunkte der Kommunikation gibt – also Aufgaben oder Bereiche, die vor allen anderen berücksichtigt werden. Sie überprüft, ob es Kommunikations–Aufgaben gibt, die lediglich teilweise oder sogar gänzlich unerfüllt bleiben.
Abb. 11: Vernetzte Maßnahmen im Rahmen der Unternehmens–Kommunikation:
PR–Fitness–Test
Mithilfe dieser ersten beiden kleinen AGIL–Anwendungen und den daran anknüpfenden Kommunikations–Modellen erstellt die PR–Beraterin bereits eine umfangreiche Dokumentation des Status quo. Sie hat einen Einstieg in die Problematik ihres PR–Auftrags bekommen, kann erste Kommunikations–Entwicklungs–Empfehlungen vorlegen und ihre Ergebnisse mittels der AGIL–Modellierung grafisch darstellen.
Nach Diskussion dieser Ergebnisse mit dem Klienten kann die Beraterin daran gehen, eine vollständige Kommunikations–Strategie zu entwickeln. Doch zuvor gibt es eine Zwischenaufgabe, für deren Erledigung sie zunächst noch tiefer in die Kommunikations–Abläufe der Unternehmens–Organisation blickt, um Reibungsverluste bei der späteren Maßnahmenumsetzung zu verhindern.
Bevor sie aufgrund ihrer Kommunikations–Strategie Interaktionen und Dialoge mit externen Zielgruppen plant und realisiert, erarbeitet die PR–Beraterin ein realistisches Bild davon, in welchem Zustand sich die »PR–Fitness« ihres Auftraggebers befindet. – Organisationen können in der Vergangenheit unterschiedlichste PR–Kompetenzen entwickelt haben, an die eine PR–Beraterin anknüpfen kann. – Eine solche realistische Vorab–Einschätzung ist wichtig, denn sollte sie die Kommunikations–Fähigkeit ihres Klienten überschätzen, läuft sie Gefahr, bei Maßnahmen–Umsetzung zu scheitern (siehe Abb. 12):
PR-Fitness überprüfen
- Zur Erfüllung der Anpassungs–Funktion – A Adaption – ist durch differenzierte Routinen sicherzustellen, dass ein kontinuierlicher Informationsaustausch mit den Umgebungen der Organisation des Auftraggebers erreicht wird.
- Zur Erfüllung der Zielerreichnungs–Funktion – G Goal–Attainment – ist sicherzustellen, dass ein erfolgreiches Kommunikations–Managment mit ausreichendem Etat, routiniertem internem Projektmanagement, professioneller Organisation des Umsetzungsteams und laufendem Kommunikations–Strategie–Controlling eingerichtet ist.
- Zur Erfüllung der Integrations–Funktion – I Integration – ist ein stabiles Dialog–System aufzubauen, das sowohl interne Netzwerke zur Unterstützung der Kommunikation umfasst, als auch über Schnittstellen zu wichtigen externen Gruppen verfügt.
- Zur Erfüllung der Strukturerhaltungs–Funktion – L Latent Pattern Maintenance – sind kontinuierlich interne Diskurse über die Grundsätze und Standards der Unternehmens–Kommunikation zu führen – zu Themen wie »laufende Steigerung der kommunikativen Kompetenz der Mitarbeiter«, «Optimierung der Grundsätze der Kommunikations–Strategie«, »Implementierung der Kommunikations–Standards in allen Abteilungen« und »Fortentwicklung und Anpassung der Corporate Identity des Unternehmens« .
Abb. 12: Übersicht – Notwendige Kommunikations–Kompetenzen:
Ausblick: Analyse von Kommunikation auf allen Ebenen
Der erste Einstieg in die Verwendung des AGIL–Schemas hat gezeigt, dass wir mit Hilfe der damit entwickelten Modelle Kommunikations–Situationen detailreich analysieren können.
Das Schema leitet die PR–Beraterin an, Kommunikationsprozesse und Beziehungs–Netzwerke so lange in weitere Aspekte zu zergliedern sowie diese Betrachtung so lange zu verfeinern, bis sie beispielsweise auf problemverursachende Mechanismen gestoßen ist.
Die Benutzung dieses Schemas führt in der konsequenten Anwendung automatisch dazu, Informationen umfassend und systematisch zu beschaffen. Dabei kommen Details, aber auch die »großen Zusammenhänge« zu ihrem Recht.
Das Gesamtbild zeichnen
So werden die Verknüpfungen der Kommunikation eines Unternehmens mit einzelnen Zielgruppen auf der einen Seite genauso darstellbar wie die Abhängigkeit des Unternehmens von seinen Interaktionen mit gesellschaftlichen Teilsystemen wie Wirtschaft, Politik, breite Öffentlichkeit und dem Kultursystem.
Wie wir zu diesem »großen, gesamtgesellschaftlichen Bild« kommen, das ein wesentlicher Baustein erfolgreicher Kommunikations–Konzeptionen ist, schauen wir uns im folgenden Kapitel an.
Quellenhinweise und Anmerkungen
1. Watzlawick, Paul; Janet H. Beavin; Don D. Jackson; Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien (1969); Bern/Göttingen/Toronto/Seattle 2000 (1969); S. 118
2. Parsons, Talcott; Robert F. Bales; Edward A. Shils; Working Papers in the Theory of Action; New York 1953; S. 163–269
3. Ein ausführlicher Überblick über die Entwicklung des AGIL–Schemas findet sich in:
- Münch, Richard; Theorie des Handelns; Frankfurt 1982; S. 59 –233
4. Eine grundlegende Einführung in die Nutzung des AGIL–Schemas als Kommunikations–Modellierungs–Instrument ist:
- Droste, Heinz W. , Praktikerhandbuch Investor Relations; Stuttgart 2001
Autor: Heinz W. Droste