Kreativität für Kommunikation – Workshop-Serie
Manch einer liebäugelt mit der Sicherheit von Routinen.
Holzhacken ist deshalb
so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.Albert Einstein
Der besondere Reiz und die Faszination, den Berufe rund um die Gestaltung der Kommunikation auf viele Zeitgenossen und insbesondere auf junge Menschen ausüben, liegen aus meiner Sicht in einer idealisierten und letztlich unrealistischen Vorstellung von Kreativität.
Außenstehende stellen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zeitungs– und TV–Redaktionen, in Werbe–Agenturen und PR–Agenturen als hochkreative Menschen vor, die der höchst befriedigenden Aufgabe, die Welt täglich kommunikativ neu zu erfinden, durch besonderes gestalterisches und sprachliches Talent gewachsen sind.
Dem möchte ich insoweit gar nicht widersprechen: Viele der in diesen Feldern arbeitenden Menschen sind erfahrungsgemäß tatsächlich überdurchschnittlich talentiert und leistungsfähig.
Und kreative Leistungsfähigkeit ist wichtig, um Problemlösungen zu entwickeln, die durch den im ständigen Wandel befindlichen gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess notwendig werden.
In Agenturen, die Aufgaben der Unternehmens-Kommunikation übernehmen, sind im Auftrag von Klienten
– Interaktionssysteme und Kommunikations–Beziehungen neu zu gestalten,
– bestehende Netzwerk–Verbindungen sind im Betrieb zu halten,
– bedarfsweise in ihrer Wirksamkeit zu optimieren,
– während nicht mehr reparable Netzwerke abzubauen sind.
Kreativität – Teil 1: Kommunikations-Profis auf neuen Wegen.
Aber viele Vertreterinnen und Vertreter der beschriebenen Berufsgruppen vertrauen bei der Arbeit an diesen Aufgaben gar nicht ihrer eigenen Kreativität. Stattdessen wird in der Regel zu zwei Methoden gegriffen, um kreative Kompetenz zu “simulieren”:
Methode 1: Meine Beobachtung ist, dass sowohl im Journalismus und als auch in Kommunikations-Agenturen bei neuen Aufgabenstellungen mit freiberuflichen Kreativen zusammengearbeitet wird – mit Freelance-Kreativen. Den Verantwortlichen in Agenturen ist klar, dass die eigenen Mitarbeiter angesichts ihrer Tagesroutinen die »Denk-Kapazität« fehlt, innovative und wirkungsvolle Dinge zu entwickeln. Dazu kommt: Viele junge Agenturmitarbeiter verfügen noch gar nicht über die Erfahrung mit kreativen Entwicklungsprozessen und würden entweder das Ziel einer kreativen Aufgabe zu langsam erreichen oder gänzlich verfehlen.
Methode 2: Zu dieser Methode wird meistens gegriffen, wenn der Kunden-Etat so knapp bemessen ist, dass die Beauftragung von kreativen Dritten mit allzu schmerzhaften Profiteinbrüchen verbunden wäre. Deshalb greifen Agenturen zu Routinen, die in der Vergangenheit zu guten – zumindest zu befriedigenden – Lösungen geführt haben. Neuen Aufträgen wird mit in der Vergangenheit bewährten Maßnahmen–Plänen begegnet: Kommunikations–Berater denken dann unabhängig vom konkreten Einzelfall und unabhängig davon, wie ein Klient seine Bedürfnisse artikuliert hat, in standardisierten Maßnahmen–Kategorien wie »Content-Marketing«, »Presse– und Medienarbeit«, »Social Media«, »Produktion und Verteilung von Print– und Digitalmedien« und »Organisation von Events«.
Abhängig von der Höhe des verfügbaren Etats werden aus diesen Kategorienfeldern einzelne Maßnahmen herausgegriffen, zu Maßnahmenpakten gebündelt und schließlich als »Kommunikations–Konzeptionen« beispielsweise »Content-Marketing-Plänen« präsentiert, die den Klienten–Möglichkeiten am besten entsprechen sollen.
Tatsache ist, dass Meinungsbildungsprozesse dynamisch und wandelbar sind. Jeder Klient ist darin auf unterschiedlichste Weise positioniert und betroffen. Wenn Kommunikations–Berater den sich dabei auftretenden unbeständigen Konstellationen mit starren Maßnahmen–Standards – etwa »Content-Strategie-Konzepten« – begegnen, riskieren sie, an ihren Aufgabenstellungen zu scheitern.
Damit stellt sich die Frage: Wie kann Kreativität angesichts von Kommunikations–Herausforderungen ihr Problemlösungs–Potenzial entfalten und die Gefahren starrer Vorgehensweisen umgehen?
Die Antwort dazu liegt nicht auf der Hand. Denn auf der einen Seite ist der Begriff der »Kreativität« zwar positiv besetzt, doch in der Kommunikations–Praxis ist er auf der anderen Seite Auslöser für eine ganze Reihe von »Störgefühlen«.
Flow-Erlebnisse erklären Kreativität nicht.
Zum einen gibt es wenig Wissen darüber, wie Kreativität zu erklären und im Kommunikations–Alltag handhabbar zu machen ist. Es gibt zwar vielbeachtete Kreativitäts–Literatur, die sich vorzugsweise mit außeralltäglichen kreativen Leistungen von Genies beschäftigt. Wir wissen, dass diese Menschen nach Arbeitsphasen des Fragens, Suchens und Sammelns zu einer Lösung gelangen, die bei ihnen starke Glücksgefühle – so genannte Flow–Erlebnisse – hervorrufen.(1)
Doch diese Einsicht in das »Phänomen« Kreativität hilft uns nicht, ein Verfahren für die Praxis von Journalisten, Werbern und PR–Beratern zu entwickeln. Das Flow–Erlebnis ist lediglich eine Begleiterscheinung, kein kausaler Faktor von kreativen Prozessen. Ansonsten müsste es möglich sein, durch das Erzeugen von »Flow-Gefühlen« – beispielsweise durch die Verabreichung künstlicher Stimulanzien – kreative Resultate zu erzeugen.
Ein Kreativer bemüht sich nicht deshalb um eine innovative Lösung, weil er den glücklich machenden Flow sucht, sondern ihn trägt sein Interesse am Thema und seine Motivation, einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten. Der Kern der kreativen Leistung ist eine bisher nicht dagewesene Lösung und nicht das Glücksgefühl, das der Erfinder bei seiner Hervorbringung genossen haben mag. – Das Flow-Glücksgefühl ist lediglich eine angenehme Begleiterscheinung des kreativen Arbeitens und nicht dessen Ursache.
Mit Blick auf Kreativitäts-Literatur scheint es so zu sein, dass befriedigende Erklärungen von Kreativität so spärlich gesät sind, dass häufig Mysteriösität als ihr wesentlicher Wesenszug dargestellt wird. Kreativität ist anscheinend nicht sicher beherrschbar und muss auf geheimnisvolle Weise »heraufbeschworen« werden.
Tatsache ist allerdings: Kreativität funktioniert weit weniger geheimnisvoll als vielfach angenommen. Es ist möglich, sie stabil in den Problemlösungsprozess rund um Kommunikationsaufgaben einzubinden. Das ist mit einem gewissen Aufwand und mit dem Entwickeln von kreativer Kompetenz verbunden. Wer Kreativität wünscht, kommt ohne eine Investition nicht aus. Worin besteht diese Investition? Diese Frage soll in diesem Beitrag und einigen weiteren hieran anknüpfenden Posts beantwortet werden.
Kreativität verschafft »Störgefühle«.
Doch zuvor müssen wir auf ein weiteres Störgefühl rund um den Kreativitäts–Begriff zu sprechen kommen. Denn erfahrungsgemäß steht Kreativität mit der Erwartung in Verbindung, Vorgehensweisen grundlegend zu verändern, um neuen Herausforderungen zu begegnen. Solche Veränderungen werden in der Kommunikations–Branche weit weniger geschätzt, als es sich die Beteiligten bewusst machen. Stattdessen ist zu beobachten, dass Kreativität im Berufsleben von Kommunikations–Profis geradezu gefürchtet und mit Misstrauen von Personen auf höheren Hierarchiestufen verfolgt und häufig unterbunden wird. Zwar werden Kreative – Entdecker, Innovatoren usw. – hochgelobt und beklatscht. Im direkten Umgang am Arbeitsplatz und im Organisations–Gefüge werden sie dagegen als unbequem und irritierend erlebt.
Kreativität – so geht es weiter!
Dieser Störgefühle zum Trotz gibt es ein Verfahren, das praktiziert werden kann, um gleichermaßen kreative und wirkungsvolle Lösungen zu finden. Wie dieses Verfahren für kreative Problemlösungen im Bereich Kommunikation aussieht, gehe ich in hier anschließenden Posts Schritt für Schritt an. Basis dieser »Kreativitäts-Formel« ist eine plausible, kompakte Mini–Theorie der Kreativität. Formuliert wurde diese Theorie vom Wissenschaftler und Wissenschafts–Philosophen Mario Bunge.(2) Ich werde diese Theorie um den einen oder anderen Baustein ergänzen, um den Lesern ein kreatives Kommunikations–Verfahren an die Hand zu geben. Hier geht es weiter.
Anmerkungen
- Vergleiche:
- Mihaly Csikszentmihalyi; Das flow–Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen; Stuttgart 1993
- Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden; Stuttgart 1997
- Wir folgen an dieser Stelle Mario Bunges Aufsatz »Explaining Creativity (1993)« und seinen Ausführungen über die Grundlagen einer modernen neurophysiologischen Psychologie:
- Bunge, Mario; Scientific Realism; Amherst, New York 2001; S. 281–7
- Bunge, Mario; Rubén Ardila; Philosophie der Psychologie; Tübingen 1990
- Bunge, Mario; Martin Mahner; Philosophische Grundlagen der Biologie; Berlin, Heidelberg, New York 2000 Bunges Psychologie–Konzept wurde bereits hier im Detail erläutert:
- Droste, Heinz W.; Kommunikation – Planung und Gestaltung öffentlicher Meinung. Band 2: Mechanismen; Neuss 2011; S. 314–41